Die Barbie-Puppe ist seit den 50er Jahren eines der beliebtesten Kleine-Mädchen-Spielzeuge überhaupt und man muss mit einer gewissen Anerkennung sagen, dass sie es geschafft hat, sich über all die Jahrzehnte erfolgreich im Geschäft zu halten – stets den modischen Gepflogenheiten der jeweilgen Dekade angepasst, mit unterschiedlichen Features ausgestattet (Pony, Cabrio, angebrannter Surferboyfriend), aber immer reizvoll für die 3-10 Jährigen Kinder zumeist weiblichen Geschlechtes. Ein Spielzeugklassiker, den die meisten von uns wohl auch im Kinderzimmer hatten und mit der wir viele „Erwachsenen-Szenen“ nachgespielt haben (vom Ausflug zum Strand über das Candlelight Dinner bishin zu den ersten zarten Annäherungsversuchen zwischen Barbie und Ken, die zumeist in der rosa Villa stattfanden und weniger auf dem Rücksitz des verdeckfreien Automobils).
Haben wir uns als Kinder eigentlich großartig Gedanken über Barbies Maße gemacht? Doch nur, wenn wir die Oma darum gebeten haben, ihr das eine odere andere fesche Kleidchen zu nähen, oder? Ansonsten hat das doch überhaupt keine Rolle gespielt. Barbie war Barbie. Auch dann noch, wenn wir ihr die Haare abgeschnitten oder den Körper grün angemalt hatten, weil wir fanden, dass dies besser zu ihr passte. Barbie ist Barbie, man erkennt sie schon von weitem und selbst das Auge einer Dreijährigen ohne Lesekenntnisse ist schon so geschult, dass sie Barbie auf Anhieb von Petra, Steffi und wie all die Nachahmerinnen auch heißen mögen, unterscheiden kann.
Kinder machen sich keine Gedanken über Barbies Figur. Erwachsene dafür umso mehr.
Ungeachtet ihres Erfolges musste sich die Barbie Puppe gerade in den letzten Jahren auch viel Kritik anhören. Ihre Körperform sei so absurd gestaltet, dass sie als echte Frau nicht überlebensfähig wäre. Taille zu schmal, Beine zu lang, Brüste zu groß. Sie sei ein schlechtes Vorbild. Sie verursache Magersucht. Sie sei in Zeiten von Feminismus und Emanzipation nicht mehr zeitgemäß. Eine Puppe als Ausdrucksstück unserer verkorksten Gesellschaft, in der es nur um Schönheit geht usw. usf., man kennt das ja alles.
Nun hat sich ein 24-jähriger Designer namens Nikolay Lamm aus Pittsburgh in Pennsylvania ans Werk gemacht, auf Basis etlicher Werte zu amerikanischen Durchschnittsfrauen eine Barbie zu konstruieren, die auch ‚for real‘ sein könnte.
Diese Barbie ist (unschwer zu erkennen) deutlich kleiner, hat wesentlich größere Füße, einen dickeren Hintern, breitere Hüften, eine breitere Taille und kurze Beine. Das Ergebnis kann sich also sehen lassen, sie sieht nun nicht mehr wie ein Modell aus, sondern wie eine normale Duchschnittsfrau – langweilig, unspektakulär, nichts, wo man(n) zwei mal hinschauen würde. Muss ja aber bei Kinderspielzeug auch nicht zwangsläufig so sein, je nachdem, welche didaktische Intention man als Erziehungsberechtigte(r) so verfolgt ;) Ein voller Erfolg, Herr Lamm :)
Ich persönlich finde sie für eine Durchschnitts-19-Jährige schon etwas zu pummelig, 35-Jährige würde es da schon besser treffen, aber in den US ist das mit der Ernährung ja eh so eine Sache, wenn die Kids als zweites Frühstück im Kindergarten Chips und Schokoriegel mit in die Tasche gelegt bekommen, dann ist das wohl einfach so.
Was sagt Herr Lamm nun zu seiner Barbie? War das alles nur ein Gag, ein l’art pour l’art Kunstprojekt – oder möchte er uns eine Message mitteilen?
‚My last Barbie project got a lot of criticism because Barbie is just a toy. People argue that a toy can’t do any harm. However, if we criticise skinny models, we should at least be open to the possibility that Barbie may negatively influence young girls as well. Furthermore, a realistically proportioned Barbie actually looks pretty good in the pictures I produced. So, if there’s even a small chance of Barbie in its present form negatively influencing girls, and if Barbie looks good as an average sized woman in America. What’s stopping Mattel from making one?‘
… weil sie eben nicht ‚gut‘ aussieht. Sie sieht natürlich auch nicht schlecht aus. Sie sieht durchschnittlich aus, aber mehr nicht. Mit einer Puppe wie dieser würden Kinder in einem Puppenhaus das klassische ‚Vater-Mutter-Kind‘ Spiel spielen, mit Mutti am Herd, Vati auf der Arbeit oder Zeitung lesend, Kinder spielend auf dem Fußboden. Das ist aber nicht Barbie und wahrhaft zeitgemäß ist es auch nicht. Barbie ist exzeptionell, sie ist und will nicht Durchschnitt sein, warum auch, Durchschnitt ist langweilig, das sieht man jeden Tag! Barbie ist der Prototyp Karriefrau, die trotz Kindern (es gab mal eine schwangere Barbie, die war ein bisschen gruselig^^) eine super Figur hat, Sport treibt, beruflich so erfolgreich ist, dass sie sich ihr Traumhaus, Traumauto, Traumpony und Traumtypen leisten kann, sie ist unabhängig, cool und selbstbewusst. Dies alles strahlt Barbie aus. Lamms Durchschnittspuppe tut das nicht. Sie strahlt gar nichts aus. Nur die öde Belanglosigkeit einer Gesellschaft, in der scheinbar vor allem die Frauen wollen, dass keine besser aussieht und mehr auffällt, als sie selbst. Deswegen wird der Durchschnitt so propagiert, ob nun gesundheitlich gefährlich oder nicht (es gibt ungleich mehr übergewichtige als magersüchtige Frauen und Männer, das darf man nicht vergessen).
Ich will Nikolay Lamms Projekt nicht schlecht reden, im Gegenteil, ich finde es spannend, interessant und faszinierend und ich halte es für eine gute Sache, dass er uns die Unterschiede vor Augen hält, einfach so als Vergleich und als Kunstprojekt. Noch faszinierender finde ich allerdings die allgemeinen Reaktionen darauf, die vor allem von Frauen kommen, welche die ’neue‘ Barbie hochloben und dafür eintreten, dass sie die dünne Barbie ersetzen sollte – und das in einer Gesellschaft, in der die meisten Menschen bereits zu dick sind. Irgendwie finde ich das komisch und bedenklich.
Übrigens: Wenn schon realistisch, dann konsequent. Ich hätte die 19-jährige for real Barbie dann gern mit Hautunreinheiten im Gesicht, beginnender Cellulite, vielleicht der eine oder ander Dehnungsstreifen am Oberschenkel… ;) Aber da hört es dann wahrscheinlich doch auf, das will dann auch niemand sehen ;)
Bilder und das Zitat stammen von folgender Seite: dailymail.co.uk