Wie üblich hat die 9. Folge der Staffel nur einen einzigen Handlungsstrang – doch schafft die bislang eher mäßig spannende Geschichte um die Brüder von der Night’s Watch es wirklich, uns 50 Minuten lang zu interessieren? Finden wir es heraus.
Dieser Artikel ist ein Recap, NATÜRLICH kann er die ganze Serie bis zur aktuellen Folge spoilern. Eigentlich sollte ich das garnicht jedes Mal wieder schreiben. Dennoch: Enthält Romanvergleiche. Spoilert KEINE Buchinhalte über die aktuelle Folge hinaus. In Unkenntnis und offener Missachtung der deutschen Übersetzung bleiben alle Orts-, Ordens- und Familiennamen englisch.
Dass „The Watchers on the Wall“ die große Schlacht zwischen Crows und Wildlings zeigen würde, daran hatte unter den Zuschauern wohl niemand gezweifelt. Was in Staffel 2 Blackwater Bay war sollte hier die Schlacht um die Wall werden und entsprechend war auch absehbar, dass die Folge sich kein einziges Mal von ihrem Hauptschauplatz wegbewegen würde. Das gibt ihr von vorne herein keinen leichten Stand, denn der miesepetrige Jon Snow und seine Waffengefährten, die man zwar vom sehen kennt, denen man aber größtenteils keine Namen zuordnen könnte, sind in dieser Staffel alles andere als Publikumslieblinge. Hinzu kommt, dass der Eindruck, den „The Mountain and the Viper“ hinterlassen hat, schwer zu übertreffen ist und jede Folge, die uns gerade davon abhält mehr über Tyrions Schicksal zu erfahren, zwangsläufig als lästig empfunden werden muss. Vor diesem Hintergrund hat sich die aktuelle Folge eigentlich ganz gut gehalten.
Eigentlich steht von Anfang an fest, dass es in dieser Folge zum großen Showdown zwischen Jon und Ygritte kommen wird. Einer der beiden wird die Seiten wechseln müssen, wenn sie sich begegnen, oder aber sie werden sich tatsächlich gegenseitig umbringen müssen. Das wäre ein wenig tragischer, wenn wir uns an die Romanze zwischen den beiden noch etwas lebhafter erinnern könnten, aber man kann nicht alles haben. Immerhin ahnt die Serie schon, dass wir emotional nicht so richtig involviert sind, und erlaubt Jon Snow in einem Gespräch mit Sam Tarly seine Beziehung zu Ygritte revue passieren zu lassen. Das tut er dann auch so unbeholfen, dass man es als niedlich durchgehen lassen kann. Und weil es offenbar für Männer am Vorabend der Schlacht kein anderes Thema geben darf, berichtet zeitgleich Tormund Giantsbane von seiner angeblichen Liebsnacht mit einem Bären, wird aber von Ygritte eindrucksvoll zurechtgewiesen. Und weil es für Männer am Vorabend der Schlacht WIRKLICH kein anderes Thema geben darf, gibt es auch noch ein Gespräch zwischen Sam und Maester Aemon, bei dem dieser in Jugenderinnerungen schwelgt. Trotz des Mangels an Themenvielfalt kommt die angespannte Atmosphäre der letzten Nacht vor dem großen Showdown gut rüber. Das ist vermutlich vor allem Regisseur Neil Marshall zu verdanken, der bereits die Blackwater Bay Folge drehte und merklich Talent dafür hat. Aber auch Rose Leslie trägt als Ygritte einiges dazu bei, die sich sichtlich nicht entgültig entschieden hat, wie sie damit umgehen soll, wenn ihr morgen Jon Snow im Kampf entgegentritt, dafür aber um so heftiger versichert, niemand dürfe ihm ein Haar krümmen, da sie ihn selber töten wolle (Ein oft ersehntes und doch seltenes Privileg in Westeros, wenn man es recht bedenkt. Weder durfte Arya Joffrey noch durfte der Hound seinen Bruder umbringen.).
Ziemlich cool ist der Warg, also Gestaltwandler, den Ygrittes Gruppe dabei hat und der zwischendurch als Eule die Night’s Watch ausspioniert. Leider ging er im Verlauf der späteren Schlacht unter, man hätte doch gerne mehr von ihm gesehen. Als Wachtposten war er aber offenbar nur mäßig geeignet, denn irgendwie schleicht sich Gilly – eine Frau, die keinerlei Rangerskills und einen Säugling dabei hat – an ihm vorbei und erreicht unbeschadet Castle Black, wo Sam sein Glück kaum fassen kann und sie in einer Vorratskammer versteckt. Er verspricht, sie nie wieder allein zu lassen, und lässt sie natürlich sofort allein, als die Hörner die nahenden Wildlings verkünden, aber das dürfte sie nicht weiter wundern, immerhin hat er sie vorher zu ihrem eigenen Schutz in ein ungeschütztes Dorf gebracht, mit Kohärenz hat er es also nicht so. Geküsst wird er trotzdem und man gönnt es ihm ja auch.
Die Schlacht selbst lässt es an Unterhaltungswert nicht mangeln. Warum die Wildlings den halben Wald abfackeln bleibt zwar ein Rätsel („Wag mit den Bäumen!!! Ich HASSE es, wenn meine Männer Deckung haben!“), aber sobald der erste Riese auf seinem Mammut angeritten kommt ist das eigentlich egal. Wenn man auf Mammuts reitende Riesen zeigt ist ohnehin einiges egal. Der Machtkampf zwischen Ser Alliser und Jon Snow ist auch nicht unerträglich, und die Nummer, dass der Befehlshaber die Wall verlässt um sich den Kämpfen unten in Castle Black zu widmen, wird als Running Gag unfreiwillig komisch, weil man kaum mitbekommt, wie tatsächlich Befehle gegeben werden. Eigentlich ist alles, was auf der Wall passiert, ziemlich spannend, denn sowohl die Wildlings als auch die Männer von der Night’s Watch haben einige Asse im Ärmel, und zwischen schweren Ketten, die Kletterer von den Wänden reißen, und Riesen mit adäquat großen Pfeilen, die durchbohrte Männer durch die Luft schleudern vergisst man gerne mal, dass wir uns eigentlich um den Kampf zwischen den Brüdern in Castle Black und Ygrittes kleiner Gruppe nebst den superbösen Menschenfressern sorgen sollten. Dort geschieht dann auch tatsächlich einiges. Anders als im Buch sterben Grenn und Pyp, was durchaus eine mutige Entscheidung der Serie ist, fordert die Schlacht im Roman doch fast gar keine Opfer. Gleichzeitig schafft man es nicht wirklich um die beiden zu trauern, denn wahrscheinlich mussten selbst eingefleischte Fans ihre Namen erst googeln, um sie den jeweiligen Schauspielern zuordnen zu können. So stellt sich irgendwie die Frage, wieso nicht zumindest ein Teil der redundanten Jon Snow-Plotlines dieser Staffel (ich wüsste auch schon welche ;)) darauf verwendet wurde, die Brüder von der Night’s Watch näher kennenzulernen, denn dann würde ihr Schicksal jetzt vielleicht mehr interessieren.
Natürlich kommt es dann doch noch zum ultimativen Showdown zwischen Jon Snow und Ygritte, beziehungsweise zunächst zwischen Jon Snow und Glatzkopf Evil McEatingpeople, die sich gegenseitig die Köpfe einschlagen und Ygritte Gelegenheit geben näher zu kommen. Als Jon dann plötzlich Ygritte gegenübersteht, die im Begriff ist ihn zu erschießen, lächelt er sie unwillkürlich an und bringt sie damit für einen Moment aus der Fassung. Das genügt, damit der kleine Junge dessen Vater sie in einer früheren Folge getötet hatte und der seitdem ganz possierlich als Night’s Watch Maskottchen rumsaß sie mit seinem Spielzeugbogen erschießt. Das erspart ihr die Entscheidung, den Liebenden den Kampf und Ygritte stirbt in Jons Armen. Na wundervoll, jetzt wo er sie quasi mit seinem ersten Lächeln in mehreren Staffeln getötet hat, wird er dieses ernste Schmollgesicht nie weider ablegen, oder? Übrigens hat die Serie damit geschickt Ygrittes Tod aus dem Buch abgewandelt, wo Jon sie geradezu antiklimatisch nach der Schlacht von einem Pfeil durchbohrt findet und es nie zu einer direkten Konfrontation zwischen den beiden kommt. Gleichzeitig bekam sie auch keinen lächerlichen Endkampf und der Tod von der Hand eines Kindes sollte genug sein, um die trostlose Beliebigkeit ihres Todes zumindest kurz mitschwingen zu lassen.
So endet der erste Tag der Schlacht um Castle Black mit einem zweifelhaften Sieg: Zwar konnten die Wildlings zurückgeschlagen werden, doch sind die Verluste auf Seiter der Night’s Watch so groß, dass sie einen weiteren Angriff kaum überstehen werden. Also beschließt Jon Snow aus einer spontanen Todessehnsucht heraus, allein und unbewaffnet ins Lager des Feindes zu gehen um Mance Rayder zu suchen und zu töten. Während sich also auf seine Selbstmordmission begibt – alle Befehlshaber, die ihn aufhalten könnten, sind entweder verwundet oder anderweitig beschäftigt – bleiben wir mit einer ganz anderen Frage zurück: WO ZUR HÖLLE BLEIBT STANNIS??? Wie langsam kann man denn bitte reisen? Nicht, dass er irgendwelche Tode hätte verhindern können, aber wir haben noch einige offene Plotlines für das große Finale und da wäre es doch irgendwie besser gewesen, wenn wir die Wall heute abgeschlossen hätten. so hinterlässt diese alles in allem gar nicht so schlechte Folge einen bitteren Nachgeschmack, wenn wir bedenken, wie gedrängt das Staffelfinale uns vorkommen wird. Immerhin soll das nach allem was man hört Überlänge haben, und sollte Jon Snow entgegen aller Wahrscheinlichkeit seine Begegnung mit Mance Rayder überleben, könnten 10 Minuten einer Begegnung zwischen ihm und Grumpycat Stannis gewidmet werden, bei der die beiden mit ihrer aufeinandertreffenden Trübseligkeit vielleicht das Raum-Zeit-Kontinuum sprengen. Himmel, wenn sie alles richtig machen erwartet uns eine großartige Folge! Bis dahin…
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