For an episode named „Breaker of Chains“ there is awefully little chainbreaking in it – Geeksisters wirft einen Blick auf Höhen und seeeeehr fragwürdige Tiefen der letzten Game of Thrones Folge
Kann Spoiler für die gesamte Serie bis zur aktuellen Folge enthalten. Enthält Romanvergleiche. Spoilert KEINE Buchinhalte über die aktuelle Folge hinaus. In Unkenntnis und offener Missachtung der deutschen Übersetzung bleiben alle Orts-, Ordens- und Familiennamen Englisch.
Da haben wir’s: Es gibt GRÜNDE, aus denen man große Ereignisse nicht in die zweite Folge einer Staffel packt. Den erfreulichen Überraschungseffekt der letzten Woche mal beiseite ist an eine Folge wie „The Lion and the Rose“ anzuknüpfen nicht einfach, schließlich muss selbst eine solide Handlung nach dem fulminanten Höhepunkt der königlichen Hochzeit irgendwie farblos und uninteressant wirken. Entsprechend versucht „Breaker of Chains“ garnicht erst eine erinnerungswürdige Episode zu sein. Sie besteht weitgehend aus Vorbereitungen. Alle Figuren werden in ihre Startpositionen gebracht, um bereit zu sein, wenn nächste Woche (hoffentlich) die richtige Handlung wieder einsetzt. Normalerweise bin ich ein großer Fan solcher Folgen – sie bilden einen guten Anlass, einzelne Charaktere genauer unter die Lupe zu nehmen und ihre Charakterentwicklung einzuleiten – , allerdings hatten wir vor zwei Wochen bereits eine Expositionsfolge und es hat sich seitdem nicht wirklich viel geändert, so dass jetzt einige Plotlines etwas redundant wirken. Hinzu kommt die Szene, über die Fans gerade heftig diskutieren und die dafür sorgen wird, dass diese Folge eben doch im Gedächtnis bleiben wird, nämlich für die denkbar schlechtesten Regieentscheidungen in der Geschichte der Serie. Aber sehen wir uns die einzelnen Subplots der Folge noch einmal genauer an.
Für die verbliebenen Starks läuft diese Staffel endlich mal alles ganz gut. Nachdem Arya in der ersten Folge erstmals Rache üben konnte und in der zweiten Folge mit Joffrey der eigentliche Mörder Ned Starks von der Bühne verschwand verlässt nun Sansa King’s Landing, wo sie seit der ersten Staffel festgehalten wurde. Obwohl bereits nach ihr gesucht wird – immerhin ist sie die Ehefrau des Hauptverdächtigen im Fall Königsmord – können die beiden fliehen und Dontos rudert sie zu einem stimmungsvollen Geisterschiff Marke Black Pearl, auf dem sie dann aber nicht etwa von Piraten sondern von Petyr „Littlefinger“ Baelish in Empfang genommen wird, der, wie in der letzten Staffel zweifellos etabliert und von uns allen wieder vergessen, offiziell gerade ganz woanders in geschäftlichen Dingen unterwegs ist. Es bleibt unklar, ob er den Mord an Joffrey veranlasst oder lediglich davon gewusst und die Gelegenheit genutzt hat. Ser Dontos jedenfalls handelte nicht aus Eigenmotivation, sondern weil Littlefinger ihn bezahlt hat. Im Buch, wo sein Charakter sehr viel häufiger auftritt, ist das eine große Offenbarung, in der Serie kann es kaum überraschen. Littlefingers Motive Sansa zu befreien bleiben unklar.
Ansonsten gibt es einige ziemlich solide Plotlines, die entweder zu viel oder zu wenig Zeit beanspruchen. Sam Tarly bringt Gilly und ihr Baby nach Moletown, um sie vor seinen Brüdern von der Night’s Watch zu schützen. Seine Motivation ist klar, aber die Entscheidung und Umsetzung lässt einen doch zweifeln. Ist „Hey, ich möchte nicht, dass Dich hier jemand belästigt, also bringe ich Dich in ein Dorf, das hauptsächlich aus Bordellen besteht, die möglicherweise von GENAU DEN Männern frequentiert werden, vor denen ich Dich beschützen will“ ernsthaft ein Gedankengang, den jemand haben könnte? Echt jetzt? Immerhin könnte hier die Grundlage für einen auch den Lesern unbekannten Storybogen entstehen. Achja, die Wildlings (inklusive Ygritte, die uns ja daran erinnern muss, auf welcher Seite sie steht) metzeln südlich der Great Wall ganze Dörfer nieder und die Night’s Watch tut nichts dagegen, weil sie ihre Wall verteidigen müssen. Rosige Aussichten für Gilly in Moletown, toll gemacht, Sam!
Um den Titel „weltsinnloseste Handlung“ streiten in dieser Folge Stannis‘ Unentschlossenheit („Ach, was machen wir nur, wir haben keine Männer und kein Geld.“ „Keine Sorge, in ein paar Stunden wird jemandem die rettende Idee kommen, dass wir einfach einen KREDIT aufnehmen können!“) und Aryas Reise mit dem Hound („Ich bin Arya. Ich bin klug und esse Radießchen. Eigentlich ist meine Szene hier vorbei. Wieso geht die noch weiter? Hallo? HALLO?“ „Ich bin Gregor Clegane und socially awkward. Diese Szene will nur deswegen nicht enden, weil die Macher der Serie zu verhindern versuchen, dass ich als Held glorifiziert werde, und euch hier daran erinnern wollen, dass ich moralisch fragwürdig bin.“). Stannis geht als Sieger hervor, aber nur, weil wir langsam wirklich ungeduldig werden: Sein ganzer Storyarc in der dritten Staffel kulminierte in der Entscheidung, der Night’s Watch zur Hilfe zu eilen. Wieso, WIESO sitzt er immernoch auf Dragonstone? Glaubt er wir haben vergessen, dass er nach Norden gehen wollte? Mag er das Wetter da nicht? Hat er Angst, dass er die Spannung kaputt macht, wenn er jetzt schon nach Norden geht? Hat er eine Eisbärphobie? Und hat der arme Ser Davos letzte Staffel echt nur lesen gelernt, damit er jetzt der Bank schreiben kann? Fragen über Fragen…
Aber richten wir doch den Blick auf King’s Landing, Schauplatz der mit Abstand stärksten Szenen und des bemerkenswerten Regie-Fuck-ups. Bleiben wir zuerst positiv. Tywin Lannister unterbricht Oberyn Martell und Ellaria Sand bei einer Orgie (An dieser Stelle schöne Grüße von mir an die Serie: Wir haben es verstanden. Die beiden sind bi. Wir wissen das nun und es muss nicht mehr in jedem Dialog zwischen den beiden thematisiert werden. Es ist natürlich eine Gelegenheit, möglichst viele Menschen verschiedenen Geschlechts nackt in einen Raum zu sperren, und die muss man ausnutzen, ich verstehe das. Aber das macht an sich noch keinen gut geschriebenen Charakter aus, also reißt euch mal zusammen und gebt den beiden ein anderes Gesprächsthema als Sex. Sie ist seine engste Vertraute, wie wäre es, wenn sie mal über Politik sprechen würden. Das können sie auch gerne machen, während sie sich zwischen 20 nackten Körpern räkeln, wäre doch interessant. Es soll ja sogar Menschen geben, die es attraktiv finden, wenn Leute beim Sex über kluge Dinge reden. Also bitte lasst die beiden einmal ein Bisschen sinnvoller interagieren.) und bietet Oberyn einen Platz im Small Council sowie einen Richterplatz im Prozess gegen Tyrion an, um Dorne sicher auf seiner Seite zu wissen. Wir lernen daraus, dass ein Lannister scheinbar niemals anklopft, bevor er einen Raum betritt, und dass Tywin keine Zeit verliert, die momentane Lage für politische Zwecke zu nutzen. Das bemerkt auch Tyrion, der in seiner Zelle davon erfährt. Tyrion ist in einer äußerst undankbaren Situation, ohne Verbündete, ohne Kontakt zu Außenwelt. Seinen treuen Knappen Podrick bittet er King’s Landing zu verlassen, da er um dessen Leben fürchtet. Es ist ziemlich offensichtlich, dass er seine letzte Hoffnung in Jaime setzt.
Apropos Jaime. Kommen wir zu den wirklich unangenehmen Ereignissen: Über dem aufgebahrten Leichnam seines Bruders belehrt Tywin Prinz Tommen, den zukünftigen König von Westeros, was einen guten Herrscher ausmacht. Tommen ist deutlich älter als im Buch, aber offenbar unschuldig und folgsam. Tywin kritisiert Joffrey, der kein guter König gewesen sei (duh!) und es ist klar, dass diese Kritik auch an Cersei gerichtet ist. Diese muss mit ansehen, wie Tywin ihren Sohn aus der Sept (der Kathedrale, in der Joffrey aufgebahrt ist) führt und keinen Zweifel daran lässt, dass er sich um die Erziehung dieses Enkelsohns selbst kümmern wird. Cersei bleibt allein. Gleich darauf kommt Jaime in die Sept und schickt alle anwesenden weg. Er versucht Cersei zu trösten, dann zu küssen. Als sie vor seiner Metallhand zurückschreckt beschimpft er sie, fragt melodramatisch, wieso er ausgerechnet eine so furchtbare Frau wie sie lieben müsse, und vergewaltigt sie. Wait, what? Also DAS war nicht im Buch.
Die Szene rief allerhand Verärgerung hervor. Mein persönliches erstes großes Problem ist – wie so oft – die verpasste Chance eines wirklich großartigen Filmmoments, und wenn ich mich vor zwei Wochen besorgt gezeigt habe, dass Jaimes frühzeitige Ankunft in King’s Landing Konsequenzen haben könnte, hatte ich dabei genau diese Szene vor Augen. Im Buch erreicht Jaime die Stadt kurz nach Joffreys Tod (Cerseis unsinnigerweise aus dem Buch in die erste Folge übernommenen Vorwürfe, er sei zu lange fort gewesen, machen so gleich viel mehr Sinn, hm?) und geht als erstes zur Sept, um seinen toten Sohn zu sehen. Er ist staubig von der Reise, verstümmelt und überhaupt nur ein Schatten seiner selbst, man will ihn zuerst fortschicken, weil man ihn nicht erkennt. Er betritt dennoch die Sept, wird mit der trauernden Cersei allein gelassen, und die beiden schlafen miteinander. In dieser Szene kulminiert die Geschichte, die alle Ereignisse in King’s Landing angestoßen hat: Die verbotene Liebe zwischen Bruder und Schwester flammt noch einmal auf, über dem Leichnahm des diabolischen gemeinsamen Sohns, von dem selbst Cersei weiß, dass sein verdorbener Charakter für den Thron nicht geeignet war. Die Szene ist ebenso ikonisch wie obszön und gerade dadurch eine Verneigung vor diesem außergewöhnlichen und moralisch äußerst ambivalenten Liebespaar, bevor es wieder beginnt, sich zu entfremden. Es war meine größte Hoffnung, dass die Essenz dieser Szene, wenn auch unter anderen Bedingungen, irgendwie beibehalten wird.
Die allgemeine Einigkeit unter Fans, dass es sich im Roman um einvernehmlichen Sex handelt, wurde kurz nach Ausstrahlung der Folge von George R. R. Martin bestätigt:
In the novels, Jaime is not present at Joffrey’s death, and indeed, Cersei has been fearful that he is dead himself, that she has lost both the son and the father/ lover/ brother. And then suddenly Jaime is there before her. Maimed and changed, but Jaime nonetheless. Though the time and place is wildly inappropriate and Cersei is fearful of discovery, she is as hungry for him as he is for her.
Er schiebt die Änderung auf einen „butterfly effect“, da sich aus der veränderten Timeline die ursprüngliche Szene nicht mehr ergeben konnte. Das ist an sich ärgerlich und ziemlich schade, und bei anderen Szeneninhalten wäre die Diskussion hier vermutlich beendet, aber hier geht es nunmal um eine völlig unvermittelte Vergewaltigung, die mit der doch inzwischen sehr positiv konnotierten Figur Jaime in einem unglaublichen Widerspruch steht.
Dies ist übrigens das zweite Mal, dass die Serie eine einvernehmliche Sexszene aus dem Romen zu einer Vergewaltigung umfunktioniert. Allerdings war beim ersten Mal – Daenerys Targaryens Hochzeitsnacht – eine klare Funktion sichtbar. Es stellte den Ausgangspunkt für Daenerys‘ Charakterentwicklung dar. Nun stimme ich Sonia Saraiyas „Rape of Thrones“ Artikel (der beide Sexszenen behandelt und die Bücher zitiert, für alle, die die Stellen nochmal schnell nachlesen wollen) grundsätzlich zu, dass man äußerst vorsichtig und wohldurchdacht vorgehen sollte, wenn man eine Vergewaltigung als Mittel verwenden möchte, um einen Plot voranzutreiben, doch war für mich in der ersten Staffel immerhin zu jedem Zeitpunkt klar, dass diese Szene eine Funktion erfüllte. Hingegen bin ich der letzten Folge gegenüber völlig ratlos. Hat sich Jaime damit jetzt von Cersei gelöst? Wenn ja, soll ich das jetzt etwa gut finden? Cersei ist einer der unbeliebtesten Charaktere einer Show, die dazu neigt, eine Hassfigur als Fanservice auch mal eine ganze Staffel lang zu Foltern. Soll ich ihre Vergewaltigung irgendwie gerechtfertigt finden? Nope, sorry, not happening. Und wie soll ich weiter mit einer Figur sympathisieren, die die extrem nachvollziehbare Weigerung einer Frau, nicht neben der Leiche ihres Sohnes Sex zu haben, übergeht? Die Macher sollten mir in der nächsten Folge lieber schnell einen Kontext für diese Szene nachreichen.
Das Problem ist nur: Aller Wahrscheinlichkeit nach wird das nicht geschehen. Wie ein Interview mit Alex Graves, dem Regisseur der Folge (natürlich lässt diese Serie einen Mann mit dem Nachnamen „Graves“ Regie führen ;)), zeigt, war die Sexszene keinesfalls als Vergewaltigung geschrieben. Graves weiß am Anfang nicht mal genau, worauf die Fragen abzielen. Die Interpretation, dass die Szene uns daran erinnern soll, dass Jaime nach wie vor kein edler Ritter und eindeutig positiver Charakter ist, lehnt er ab. Stattdessen behaupte er, der Akt „becomes consensual by the end“, werde also letztendlich einvernehmlich. Alle Storyarcs und Plotzusammenhänge beiseite: Das muss eine der dümmsten Aussagen sein, die jemals jemand über eine Sexszene getroffen hat. Man hätte Graves eigentlich direkt fragen können, ab welchem Punkt denn seiner Meinung nach die Einvernehmlichkeit besteht. Ich meine, besteht die schon, als er ihr Kleid zerreißt? Oder während sie wiederholt „Nein!“ sagt? Der Reporter bietet ihm allerdings einen letzte Ausweg und fragt, ob der allgemein entstandene und nur ihm scheinbar völlig unverständliche Eindruck, es handle sich um eine Vergewaltigung, eventuell am Schnitt liegen könnte. Seine Antwort:
It’s my cut of the scene. The consensual part of it was that she wraps her legs around him, and she’s holding on to the table, clearly not to escape but to get some grounding in what’s going on.
Ahja, „clearly“, hm? Denn ich als scheinbar gnadenlos naiver Zuschauer hatte ja nun auf das geachtet, was sie SAGT („Stop it! Stop it!“ – Youtube sei dank kann man seiner Erinnerung ja auch nochmal auf die Sprünge helfen). Dabei hätte mir doch klar sein sollen, dass Frauen wie Cersei nie sagen, was sie wollen, sondern mit ihrer ganzen Körpersprache eindeutig zu Sex neben dem toten Sohn auffordern, nachdem sie spielerisch vor der Metallhand zurückgeschreckt sind, um ein wenig zu teasen. Mein Fehler.
Damit das klar ist: Ich unterstelle hier Graves keine suversiven sexistischen Botschaften, sondern den Regie-Fail des Jahrzehnts. Es spricht schon an sich nicht für die Kompetenzen eines Regisseurs, wenn er den Inhalt seiner Szenen im Nachhinein nochmal erklären muss, weil er von sich aus nicht rüberkommt. Aber AUS VERSEHEN etwas zu drehen, das für einen Großteil der Zuschauer aussieht wie eine Vergewaltigung, OHNE sich selbst darüber im Klaren zu sein? HOW THE FUCK DO YOU DO THAT? Ich hoffe sehr, dass wir über diese Staffel hinaus mit weiteren Graves-Folgen verschont bleiben.
All das bedeutet aber, dass wir für die Vergewaltigungsszene wahrscheinlich keinen weiteren Kontext bekommen werden, da sie ja für die Macher garnicht existiert. Auf Storyebene gilt es also wahrscheinlich, sie zu ignorieren. Jaime ist nach wie vor positiv konnotiert. Cersei wird keinen Rachefeldzug gegen ihn antreten. Alles ist in Butter – also sofern es im Game of Thrones Universum in Butter sein kann.
Ach ja, die Folge heißt nicht unbegründet „Breaker of Chains“. In den letzten zehn Minuten erreicht Daenerys die Stadt Mereen. Der neue Daario Naharis und ein gesichtsloser mereener Champion liefern sich einen buchstäblichen „pissing contest“, bevor Daario ihn antiklimaktisch besiegt. Danach hält Daenerys eine Rede an die Sklaven Mereens und bombardiert die Stadt mit den abgelegten Ketten der Sklaven, die sie bereits befreit hat. Also quasi ein last minute Titelbezug, der nicht über die Abwesenheit jeglicher Drachen in der Folge hinwegtrösten kann. Wo sind die Drachen überhaupt? Sind sie nicht langsam zu groß, um in einem kleinen Korb zu reisen? Hätte man sie bei den Armeetotalen nicht sehen müssen? Wäre es nicht klug von Daenerys gewesen, sie sehen zu lassen?
Ihr seht, die letzte Folge warf vor allem Fragen auf. Also die nervigen kleinen Fragen, keine großen spanndenden Rätsel und Mysterien. An zu vielen Schauplätzen wurde zu wenig Handlung zu beiläufig rübergebracht und trotz großer Screentime für Brüste und einer Hintern-Großaufnahme weiß man teilweise garnicht, ob wir uns noch bei Game of Thrones befinden. Da hilft auch nicht, dass Westeros mit den Thenns plötzlich seine eigenen völlig überzeichneten und überhaupt nicht ambivalenten Orks hat.
Try again next week.