Rekapituliert: Game of Thrones Season 4 Episode 2

Lang lebe der König! Wir wussten es vorher nicht, aber „The Lion and the Rose“ war die Game of Thrones Folge, auf die wir alle seit mehreren Staffeln gewartet haben. Was bedeutet aber die „Purple Wedding“ für den weiteren Verlauf der Show? Hatten die Nebenplots von Bran und Stannis eigentlich irgendeinen Sinn? Und wie soll ich hier ohne zu spoilern noch eine dritte rhetorische Frage reinquetschen?

Mit Sigur Rós hat gerade wieder eine bekannte Band „The Rains of Castamere“ gecovert. Hört euch die Version an und gedenkt der Ereignisse der letzten Folge.

Dieser Artikel klatscht einem die Spoiler quasi ins Gesicht und hat das Potential, eine recht gelungene Überraschung zu verderben – wie übrigens seit Sonntag das gesamte Internet. Wieder gilt: Spoilert KEINE Buchinhalte über die aktuelle Folge hinaus. In Unkenntnis und offener Missachtung der deutschen Übersetzung bleiben alle Orts-, Ordens- und Familiennamen englisch.

 

Nach drei Staffeln glaubte man langsam, sich an die Strukturen bei Game of Thrones gewöhnt zu haben. Bei all der Gewalt und Ruchlosigkeit, mit der einzelne Charaktere wie lose Blätter durch undurchsichtige und selten vorhersehbare Handlungsstränge gefegt werden, schien doch das Muster relativ klar: Die erste Folge braucht einen Schockmoment, etwa in der Mitte jeder Staffel sterben Nebencharaktere (Viserys, Renly) und in der 9. Folge gibt es eine epische Schlacht oder aber es geht den Hauptfiguren an den Kragen. Selbst als Romanleser, der ja eigentlich weiß, was in dieser Staffel ansteht, ging man davon aus, dass diese Struktur aufrechterhalten bleibt und wir King“s Landing noch wenigstens zwei Filler-Episoden lang bei Hochzeitsvorbereitungen zugucken dürfen. Niemand tötet eine Hauptfigur, noch dazu den ikonischsten Antagonisten der Serie, in der zweiten Folge, oder? ODER?

Aber ich will nicht vorgreifen. Die Ereignisse in King“s Landing sind in dieser Folge so entscheidend, dass die anderen Plotlines daneben ohnehin nur stiefmütterlich behandelt werden können und sind, obwohl des Drehbuch dieser Folge aus der Feder von George R. R. Martin selbst stammt, bestenfalls solide. Wir machen einen Abstecher zu Stannis, der in der letzten Folge noch nicht aufgetaucht war, und seiner Lord of Light Gefolgschaft, die gerade im beschaulichen Scheiterhaufenschein Glaubenskrieg spielen. Nicht sonderlich aufregend, eher eine freundliche Erinnerung daran, dass es diese Charaktere ja auch noch gibt. Stannis“ Frau und krankheitsbedingt entstellte Tochter geben der roten Priesterin Melisandre eine Gelegenheit, uns über ihren religiösen Gut-Böse-Dualismus zu belehren. Parallel gibt es eine weitere „guckt mal, uns gibt es auch noch“ Sequenz, in der Bran, Meera, Jojen und Hodor mit wenig Verpflegung jenseits der Great Wall durch die Gegend irren. Sie kommen an einem Weirwood-Baum vorbei und als Bran diesen berührt hat er einen etwas frodoesken Anfall von „sehr schnell geschnittene Sequenzen erscheinen vor meinem inneren Auge und plötzlich kenne ich den Weg“. Beide Geschichten wirken auf den ersten Blick schrecklich unspannend. Setzt man allerings voraus, dass George R. R. Martin wohl kaum völlig sinnlose Szenen in seine Serie schreiben wird, und ist man bereit, sich auf einen gewissen Nerd-Faktor einzulassen, lohnt es sich, die religiösen Motive der Folge genauer zu untersuchen.

A Game of Weird Religious Stuff

Westeros wird als eine Nation dargestellt, deren Bewohner den Glauben ihrer Vorgänger weitgehend ausgelöscht haben, lediglich im Norden betet man noch in heiligen Hainen zu alten Göttern. Nun wird diese neue Religion von einer noch neueren verdrängt. Das entspricht nicht nur dem Übergang von der Naturreligion über den Polytheismus zum Monotheismus, sondern wirft auch die Frage nach der „wahren“ Religion auf. Es ist keinesfalls geklärt, welche Religionen im Game of Thrones Universum wirkmächtig sind und welche bloß schiere Einbildung. Der Glaube an die Sieben – der mit seinem „Seven-pointed Star“ und den nonnenartigen Septas, sowie dem Beharren auf Tugend und Geschlechterrollen übrigens oft mehr an das Christentum erinnert als der magisch-monotheistische Feuergott – scheint in der Geschichte noch niemandem wirklich geholfen zu haben. Hingegen haben die Feuerpriester dokumentierter Weise einiges an Macht und können sogar Tote wieder auferstehen lassen. Brans Storyline weist darauf hin, dass auch die alten Götter eine gewisse Macht und somit Realität haben. Für die Leser der Bücher ist das alles recht präsent, immerhin haben sie zu diesem Zeitpunkt bereits einen bunten Strauß an äußerst vagen Prophezeihungen zur Verfügung, die eine Verbindung zwischen Daenerys Targaryen und dem Lord of Light vermuten lassen (da ist ein Feuergott und sie hat Drachen, die Theorie drängt sich auch ohne Prohezeihung förmlich auf), aber auch viele andere Auslegungen erlauben. Die Serie hingegen lässt Prophezeihungen bislang weitgehend außen vor, oder aber misst ihnen so wenig Bedeutung bei, dass ich sie bereits wieder vergessen habe. Die Szenen mit Stannis und Bran können also durchaus mehr sein als ein bloßes Update, nämlich eine Einladung sich doch nochmal Gedanken darüber zu machen, wieso genau die Roman-Heptalogie eigentlich A Song of Ice and Fire heißt. Sollte hier jemand wilde (und möglichst spoilerfreie) Theorien haben, wir sind gespannt!

All das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Storyline niemanden interessiert. Auch die andere Nebenhandlung ist eher mau: Endgültig in die Handlung eingeführt (und unter die Schauspielernamen im Vorspann befördert – da werden ja eh ständig Plätze frei) wird Iwan Rheon alias Ramsay Snow, den wir aus der letzten Staffel als Theon Greyjoys unermüdlichen Peiniger kennen. Der Bastard-Sohn von Roose Bolton – eben der Roose Bolton, der in der letzten Staffel Robb Stark erstochen hat – hetzt eine junge Frau durch den Wald und lässt sie von seinen Hunden bei lebendigem Leibe zerfleischen, führt seinem Vater den verstümmelten Theon vor und bekommt den Auftrag, Moat Cailin aus dem Hängen der Ironborn zu befreien. Alles an ihm schreit „Look at me, I“m evil! EVIL!“ Die Szene, in der Ramsay Theon von Robbs Tod berichtet, war vom Prinzip her großartig, scheiterte aber irgendwie an der Umsetzung. Es hätte ein bedrückender Gänsehautmoment sein müssen, aber aus irgendeinem Grund haben sich die Macher dagegen entschieden, Theons psychischen Verfall nach außen hin sichtbar zu machen. Alfie Allen guckt ein Bisschen glasig, ansonsten ist von der erbärmlichen Kreatur namens Reek, zu der ihn die Folter im Buch gemacht hat, wenig zu sehen. Das fühlt sich ein Wenig an wie eine verpasste Chance und es bleibt abzuwarten, ob seine Charakterentwicklung im weiteren Verlauf der Staffel darunter leiden wird.

„Come and visit your good friend Sweeney…“

Doch all das ist nur Vorgeplänkel, denn der eigentliche Fokus der Folge liegt auf Kings Landing, wo endlich die Hochzeit von Joffrey Baratheon und Margaery Tyrell ansteht.

Mit Bedauern verabschieden wir uns von Wilko Johnson als Ilyn Payne.

Jaime und Tyrion haben eine gemeinsame Szene, die zeigt, wie sich ihre jeweiligen Charakterentwicklungen auf das Verhältnis zwischen den Brüdern auswirkt. Jaime, verstümmelt und kampfunfähig, befindet sich plötzlich in einer Position, die Tyrion bereits gut kennt, und holt sich bei ihm Rat. Anders als im Buch wählt Jaime den Söldner Bronn als heimlichen Partner für sein Kampftaining. Im Buch übernimmt diese Aufgabe der stumme Henker Ilyn Payne. Dessen starrer Blick wird uns in der Serie wohl nicht mehr begegnen, da Schauspieler Wilko Johnson schwer erkrankt ist und die ihm verbleibende Zeit seiner Musikerkarriere widmet.

Varys warnt Tyrion, dass seine Romanze mit der schönen Prostituierten Shae nicht länger ein Geheimnis ist, worauf Tyrion sie mit einer „I can not be with you anymore“-Rede fortschickt, die nicht weit von einem lächerlichen Spider Man Moment entfernt wäre, wenn seine Begründungen nicht auch einer schmerzlichen Wahrheit entsprächen. Tyrion ist verheiratet, er hat eine gewisse Verantwortung und eine Zeit, in der Shae und er in Frieden gemeinsam leben könnten, wird aller Wahrscheinlichkeit nach niemals kommen. Bronn bringt Shae zu ihrem Schiff, ob sie tatsächlich abreist ist zu diesem Zeitpunkt nicht klar.

Die königliche Hochzeit bietet allerhand Gelegenheit für kleinere Wortgefechte und die unterdrückte Abneigung zwischen verschiedenen Figuren wird unterhaltsamst verfolgt.

Purple Wedding indeed.

Doch die Folge gehört Joffrey. Er ist verabscheuungswürdig wie lange nicht mehr. Er zerschlägt Tyrions Hochzeitsgeschenk, wählt für sein neues Schwert den lächerlichsten Namen, seine Eitelkeit und Grausamkeit halten sich die Waage und der Zuschauer kann es noch einmal ausgiebig genießen, ihn zu hassen.Er hat eine Truppe kleinwüchsiger Gaukler angeheuert, um die Schlachten der fünf Könige darzustellen, und kränkt damit grob geschätzt die Hälfte der Hochzeitsgäste. Doch vor allem zielt der Witz auf Tyrion ab, dessen Geduld Joffrey wirklich überstrapaziert, indem er ihn mit Wein übergießt und ihn zwingt ihm aufzuwarten. Und dann hustet er. Und röchelt. Und fällt um. Und stirbt in den Armen seiner hysterischen Mutter, die sofort Tyrion dafür verantwortlich macht und ihn festnehmen lässt, während sich das Gesicht ihres Sohnes verfärbt.

Der Tod eines der meistgehassten Charaktere der aktuellen Medienlandschaft sollte uns alle singend und tanzend durch die Straßen ziehen lassen, trotzdem betrachteten wir Joffreys letzte Graumsamkeiten beinahe wehmütig. Es ist klar: Game of Thrones hat gerade einen der großartigsten Bösewichte der Filmgeschichte verloren. Im Internet herrscht spätestens seit Staffel 2 ein tiefer Kollektivhass auf den goldblonden Thronfolger, dessen Bosheit mit jeder Folge zuzunehmen schien. Seine Stärke lag in seiner Einfachheit. Die Serie bietet eine große Bandbreite an komplexen Charakteren, die undurchsichtige Ziele verfolgen und dafür über Leichen gehen. Gleichzeitig sieht man dahinter immer nachvollziehbare Motive. Selbst Königin Cersei hat äußerst menschliche Züge, sie beschützt ihre Kinder und verabscheute ihren verstorbenen Mann bestimmt nicht zu Unrecht. Joffrey hingegen war ein einfacher Bully, den irgendjemand vom Schulhof gepflück und auf einen Thron gesetzt hatte. Er war nicht komplex, er handelte aus genau dem Grund, aus dem ein reiches verzogenes Kind grausam sein kann. Zwischen all den verworrenen Ränken und undurchsichtigen Plotlines konnte man sich immer darauf verlassen, dass Joffrey ein kleines Monster ist, dem man nicht über den Weg trauen darf. Die Show wird nicht mehr die selbe sein ohne den erfreulichen Abscheu, den er immer hervorrief, und Ramsay Snow wird ein magerer Ersatz sein.

Gott, wie werde ich es vermissen ihn zu hassen!

Zudem war Jack Gleeson war einer der besten Schauspieler der Serie. Er verkörperte Joffreys Ambivalenz zwischen urbösem Supervillain und verzogenem kleinen Jungen perfekt und seine großartige Oxford Union Rede über Celebrity Culture in den USA brachte ihm einiges an Respekt ein. Dass es sich dabei nicht einfach um leere Worte handelte – immerhin meldet sich regelmäßig mal ein Star und erzählt uns, wie schrecklich und anstrengend es ist, internationalen Ruhm zu genießen – zeigt die Tatsache, dass er seine Schauspielkarriere nun an den Nagel hängen möchte. Eine überraschende und zweifellos bewundernswerte Entscheidung, aber er wird uns fehlen. Ich kann spontan ein Dutzend Rollen nennen, in denen ich ihn gerne gesehen hätte.

Naturally… -.-

Bleibt die Frage, was Joffreys Tod für den weiteren Verlauf der Serie bedeutet. Er wurde vergiftet und Cercei schein Tyrion für den Schuldigen zu halten. Allerdings gibt es für den Zuschauer kaum Hinweise. Es kursieren bereits Gerüchte, dass in Wahrheit Tywin Lannister der Schuldige sei, der ahnte, dass ihm der Dickköpfige Joffrey nur Ärger bereiten würde, während nun der klein Prinz Tommen nächster in der Thronfolge ist. Aber würde Gift nicht doch eher zu den Gesandten aus dem Süden, Oberyn Martell und seiner Gelibten, passen, die noch eine Rechnung mit den Lannisters offen haben? Die Tyrells könnten auch dahinter stecken – wobei Margaery gerade den zweiten Ehemann kurz nach der Hochzeit verloren hat und wir uns fragen müssen, wer diese Frau überhaupt noch freiwillig heiraten soll. Beglückt uns mit euren Theorien über Joffreys Mörder – wer die Bücher kennt hält sich natürlich zurück. ;)

Eines zumindest steht fest. George R. R. Martin wandelt das altbekannte Horrorfilmklischee erfolgreich ab und es gilt: Wer heiratet, stirbt!