NA ENDLICH!!! „The Laws of Gods and Men“ war die Game of Thrones Folge, auf die wir gewartet haben. Es wurde geredet. Es wurde gekämpft. Große Veränderungen kündigten sich an. Und endlich, ENDLICH gab es Drachen zu sehen!
Falls das auch nach fünf Vorgängerposts immernoch jemandem unklar sein sollte: Kann Spoiler für die gesamte Serie bis zur aktuellen Folge enthalten. Enthält Romanvergleiche. Spoilert KEINE Buchinhalte über die aktuelle Folge hinaus. In Unkenntnis und offener Missachtung der deutschen Übersetzung bleiben alle Orts-, Ordens- und Familiennamen englisch.
Letzte Woche wartete ja bereits im Vorspann die herbe Enttäuschung: kein Tyrion in dieser Folge, deal with it! „The Laws of Gods and Men“ ist uns also gewissermaßen eine Entschädigung schuldig, und schon als neben dem erhofften Peter Dinklage auch Namen wie Alfie Allen und Sibel Kekilli über der multifunktionalen 3d-Karte erscheinen, spätestens aber, als auf ihr mit Braavos ein neuer Schauplatz erscheint wissen wir, die Serie sieht das ähnlich. Den beeindruckenden Koloss, der dort Argonath-mäßig auf dem Seeweg reisende Neuankömmlinge begrüßt, kriegen wir auch direkt zu Gesicht, denn gerade mal sechs Folgen nachdem er mit großem Trara seine Abreise gen Norden verkündet hat, bequemt sich Stannis Baratheon tatsächlich mal von seiner Felseninsel runter. Ohne Geld und ohne Armee hat er offenbar keine andere Wahl, als einen Kredit aufzunehmen. In der Iron Bank von Braavos trifft er ein paar Iron Banker, die aussehen, als seien sie gerade erst vom LARP zurückgekommen und hätten keine Zeit mehr gehabt sich umzuziehen, doch wie sich herausstellt – SUBTLE SOCIAL COMMENTARY INCOMING IN 3… 2… 1… – bedeutet Stannis‘ legitimer Anspruch auf den Thron und seine grimmige Ehrenhaftigkeit in der aus kruden Zahlen bestehenden Finanzwelt nichts. Doch gerade als der kreditunwürdige Knuffelkönig schlecht gelaunt von dannen ziehen will hält Ser Davos seine flammende Rede und überzeugt die Bank, dass Stannis wirklich ihre beste Chance ist, zumindest einen Teil des in den Lannister-Krieg investierten Geldes wiederzusehen. (Es bleibt festzuhalten, dass Iron Banker wohl nicht die hellsten sind. Ernsthaft, wer investiert in einen Krieg ohne nebenher Waffen zu exportieren?! Hust, hust…)
Übrigens: Wie stellt diese aus dem Nichts erschienene Iron Bank eigentlich sicher, dass ihre Schuldner sie bezahlen? Ich meine, sie werden den Lannisters offenbar keine weiteren Kredite gewähren, aber das kann doch nicht alles sein! Müssen die Bauern in Westeros den Gürtel bald enger schnallen? Gibt es in Braavosi Schmierblättern bald reißerische Artikel über die faulen Westeros-Bewohner, die nicht arbeiten wollen und den ganzen Tag nur faul im Schnee liegen? Die realistischste Antwort wären vielleicht Assassinen (es gibt gewisse Hinweise, dass Braavos kein schlechter Ort ist, um Assassinen anzuheuern), aber bislang hat die Serie nichts dergleichen verlauten lassen. Die Argumentation des Onion Knights scheint jedenfalls recht wasserdicht: Egal, wer auf dem Iron Throne sitzt, die wahre Macht über Westeros liegt beim alternden Tywin Lannister. Stirbt dieser, regiert entweder Tommen – ein Kind – oder Cersei – eine beim Volk verhasste Despotin. Stannis ist dann die einzige Chance, das Land wieder zu vereinen und vorm endgültigen Ruin zu bewahren. So vernünftig das klingt drängt sich doch unwillkürlich die Ahnung auf, dass Ser Davos und die bärtigen Banker wohl noch nie Olenna Tyrell begegnet sind, die Tywin Lannister auf ihre Art durchaus das Wasser reichen kann und deren Enkelin vermutlich in absehbarer Zeit König Tommen heiraten wird. Den Einfluss der Tyrells zu unterschätzen könnte eines Tages in einer Reihe stehen mit „Macht euch keine Sorgen um das Targaryen-Mädchen. Die wird nie nach Westeros kommen, egal wie viel Screentime sie in dieser ominösen HBO-Serie kriegt“. Aber darum scheint sich die Bank ebensowenig zu sorgen wie die Tatsache, dass Tywin Lannister gar nicht so viel älter aussieht als der angeblich in seinen besten Jahren stehende Miesepeter Stannis und diesen glatt noch überleben könnte, und so geht der Plan doch noch auf.
Davos sammelt auch gleich seinen alten Piratenkumpel Salladhor Saan wieder ein – in einem Bordell, denn GNADE UNS GOTT WENN IRGENDWANN MAL IRGENDJEMAND IN WESTEROS NICHT IN EINEM BORDELL ABGEHOLT WIRD und natürlich, weil wir ohne die nackten Brüste ja gar nicht wüssten, dass wir Game of Thrones schauen.
Wir blenden dann über zu Ramsay Snow, dessen Sexszene nicht gerade stimmungsvoll mit dem Wortlaut seines Briefes an Theons Familie unterlegt ist. Den kennen wir zwar schon, aber hey, wer möchte nicht gern daran erinnert werden, das „Theon’s favourite toy“ in einem Päckchen zu den Iron Islands geschickt wurde? Anlass für die freundliche Erinnerung ist die Tatsache, dass Theons Schwester Yara (die Serienmacher befürchteten, dass ihr Roman-Name Asha zu leicht mit dem der Wildlingfrau Osha zu verwechseln wäre und benannten sie neu) sich der Dreadfort nähert, um ihrem Bruder zu Hilfe zu eilen. Schließlich hatte sie das Ende der letzten Staffel angekündigt. Nun, da ich drüber nachdenke, endete die dritte Staffel gleich mit doppelter Aufbruchsstimmung, als sowohl Stannis Baratheon als auch Yara Greyjoy sich zu ihren jeweiligen Quests entschlossen. Aus hermeneutischer Barmherzigkeit beschließen wir vielleicht besser anzunehmen, dass Reisevorbereitungen in Westeros üblicherweise seeehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Ansonsten müssten wir glatt annehmen, dass die Struktur dieser Staffel eher bescheiden durchgeplant war. Wie auch immer: Yara gelingt es tatsächlich zu Theon zu gelangen, doch der ist psychisch längst jenseits von allem und weigert sich, seinen Hundezwinger zu verlassen. Ramsay kommt dazu, es wird kurz gekämpft, Ramsay lässt seine Hunde auf Yara los und sie flieht mit ihren Männern. Theon wird für seine wieder einmal bewiesene Treue mit einem Bad belohnt und bekommt kryptische Andeutungen, was Ramsays Plan für seine Zukunft angeht. Dabei wäre der Umstand, dass er sich wieder als Theon Greyjoy ausgeben soll, obwohl er doch zu der Kreatur Reek umkonditioniert wurde, weitaus spannender, wenn er nicht ohnehin immernoch aussähe wie er selbst und wir seine Verwandlung nicht nur von seinem passiven Verhalten ableiten könnten.
Irgendwo in südlicheren Gefilden weiden unterdessen ein Schäfer und sein Sohn ihre Herde vor so idyllischer Kulisse, dass man als erfahrener GoT Gucker eigentlich noch darauf wartet, dass beide gleich wieder mit Pfeilen in der Kehle enden. Angegriffen werden sie aber dann nicht von Soldaten, sondern von Drogon, Daenerys‘ schwarzem Drachen, der offenbar die Zeit ohne Screentime primär dazu genutzt hat, rapide zu wachsen. Das erklärt, wieso man ihn und seine vermutlich ebenso großen Geschwister nicht mehr um Daenerys flattern sieht wie einen Schwarm Kolibris, wirft aber die Frage auf, ob sie die ganze Zeit schon Nutzvieh von Berghängen pflücken und wieso zur Hölle sie die Riesenbiester nicht bei der Belagerung eingesetzt hat. Der Schäfer erbittet auch prompt eine Audienz bei der selbsternannten Herrscherin von Mereen und lässt sich die Verluste ersetzen. Es tut gut, Daenerys tasächlich regieren zu sehen. Wie die meisten Charaktere hat auch sie bislang nicht viel Zeit an die Frage verschwendet, wie geeignet sie tatsächlich für den Thron ist, und der stetige Strom an Bittstellern ist gewissermaßen ihr Reality Check. Besonders eindrücklich ist die Begegnung mit Hizdahr zo Loraq, dem Sohn eines der Sklavenhalter, die Daenerys‘ Zorn zum Opfer fielen. Hizdahr bittet um Erlaubnis, seinen Vater ordnungsgemäß bestatten zu dürfen, und behauptet, er habe mit den Grausamkeiten seiner Kollegen nichts zu tun gehabt, ja sich sogar gegen sie ausgesprochen. Das mag nun stimmen oder nicht, es entlarvt auf jeden Fall das naive schwarz-weiß-Denken der Drachenfrau.
Hauptaugenmerk der Folge liegt aber endlich wieder auf King’s Landing. Das Treffen des Small Council ist alles was die letzten Folgen vermissen ließen: Es gewährt Einblick in Politik und Informationsstand der Lannsiters – so setzt etwa Tywin einen hohen Betrag auf den Kopf des Hounds aus, der nun endgültig als Feind der Krone gilt, hat aber offenbar nach wie vor keine Ahnung, dass er sich in begleitung von Arya Stark befindet – und die Interaktion zwischen den Ratsmitgliedern ist sowohl unterhaltsam als auch ergiebig, was das weitere Ausbauen der einzelnen Figuren angeht. In Oberyn Martell ergibt sich endlich wieder ein würdiger Gesprächspartner für Varys, und die vorsichtige Art, auf die sich Spinne und Schlange beschnüffeln, gehört zu genau den Szenen, die Politik in Westeros so mitreißend machen.
Das letzte Drittel widmet sich dann ganz Tyrions Prozess. Wie erwartet sagen alle gegen ihn aus, die Cersei nur irgendwie zu fassen kriegen konnte, selbst Varys, der doch eigentlich eine gewisse Zuneigung zu Tyrion gefasst hatte. Da Cersei Klägerin ist, kann sie nicht zugleich auf dem Richtstuhl sitzen, diese Aufgabe fällt ihrem Vater, Oberyn Martell und Mace Tyrell zu. Anders als im Buch ist die Leiche von Ser Dontos inzwischen gefunden worden, und mit ihr die vergiftete Kette, die Sansa auf der Hochzeit trug. Das sind deutliche Hinweise auf Tyrions Schuld, so dass der besorgte Jaime in einer Pause bei Lord Tywin um das Leben seines Bruders bittet. Er legt die gesamte Zukunft des Hauses Lannister in die Waagschale. Wenn Tywin Tyrion erlaubt, sich der Night’s Watch anzuschließen, wird er seinen Posten bei der King’s Guard aufgeben, heiraten und die Familie nicht aussterben lassen. Tywin nimmt an, mit dem bissigen Kommentar, Jaime möge diesmal Kinder zeugen, die tatsächlich den Namen Lannister tragen. Jaime informiert Tyrion, dass er sein Leben retten kann, wenn er öffentlich gesteht und um Gnade bittet – ein mäßiger Trost, diese Strategie hat ja schon bei Ned Stark so gut geklappt…
Doch dann kommt alles anders. Als letzte Zeugin wird Shae aufgerufen, die doch eigentlich die Stadt längst hätte verlassen haben sollen. Shae sagt eiskalt gegen Tyrion aus, behauptet, Sansas und seine Pläne mitgehört zu haben und gesteht sogar, Tyrions Hure gewesen zu sein. Letzteres tut sie offenbar nur, um Tyrion bloßzustellen, da es zum Gehalt ihrer vorherigen Aussage kaum beiträgt. Tatsächlich ist sie noch ein wenig freundlicher als im Buch, wo sie den Hof mit Berichten, wie sie Tyrion immer „my giant of Lannister“ – ihr wirklicher Spitzname für ihn – nennen musste, zum lachen bringt. Doch auch so ist die Bloßstellung, sowie der Schmerz über den Verrat von Shae zu groß, als dass Tyrion noch um Gnade flehen könnte. Stattdessen hält er die Rede, die ganz King’s Landing schon längst verdient hat und – wenn nicht noch etwas weit größeres geschieht – die erinnerungswürdigste Szene der gesamten Staffel ist. Der Hass von all den Jahren, die er von Cersei und seinem Vater verachtet und vom gesamten Hofstaat belächelt wurde, bricht hervor und man würde am liebsten laut applaudieren, hinge nicht die Melodie zu „The Rains of Castamere“ bedrohlich über der Szene und warnte uns: Shit is going to get pretty serious right now! Wie damals in den Klauen von Lysa Arryn verlangt Tyrion ein Trial by Combat und die Menge ist sprachlos. Dann geht ein Gemurmel durch die Reihen, Tyrion und sein Vater starren sich an, der Fernseher wird schwarz und nun sind wir es, die erstmal ihre Sprache wiederfinden müssen. Was für eine Folge!
Bis morgen gibt es also noch allerhand zu spekulieren: Wieso hat Shae Tyrion verraten? Wollte sie sich rächen, weil er sie weggeschickt hat? Haben die Lannisters ein Druckmittel gegen sie? Und weshalb ist sie noch in King’s Landing? Hat Bronn Tyrion verraten? Varys? Und wen wird Tyrion zu seinem Champion ernennen (schweigt still, Romanleser!!!)? Jaime wäre normalerweise seine erste Wahl gewesen, so viel ist klar. Aber Jaime hat mit seiner rechten Hand auch einiges an Geschicklichkeit eingebüßt und es ist fraglich, ob er sich so offen auf Tyrions Seite stellen würde. Entsprechend scheint Bronn die sicherste Wahl zu sein. Dessen Loyalität liegt aber wiederum eindeutig bei demjenigen, der ihn bezahlt, und Tyrions Finanzen dürften inzwischen eingefroren sein. Klar ist aber immerhin: nach einer längeren Durststrecke ist Game of Thrones endlich wieder genau wie es sein soll und die gesamte Umsetzung der Prozess-Szenen sowie Peter Dinklages großartige schauspielerische Leistung gehören zum besten, was die Serienwelt zu bieten hat.